Freiflächen für Solar: Wichtiges zur Privilegierung

Am 11. Januar wurde das „Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht" im Bundesgesetzblatt Nr. 6 des Jahres 2023 veröffentlicht. Gemäß Artikel 7 des Gesetzestextes ist es seit 1. Januar beziehungsweise 1. Februar in Kraft. Es soll unter anderem den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen beschleunigen – und bringt Veränderungen des Baurechts mit sich, die es in sich haben. Wir erklären Ihnen, wie sich das Baurecht mit der neuen Außenbereichsprivilegierung ändert und was das für die Beschleunigung des PV-Zubaus bedeuten kann.

Was bringt das neue Gesetz zur Außenbereichsprivilegierung von PV-Freiflächen an Änderungen im Baurecht?

Aus Artikel 1 des neuen „Gesetzes zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht“ ergeben sich für den Ausbau der Freiflächen-PV folgende relevante Änderungen im Baurecht:

Änderung des Baugesetzbuchs [BauGB – Anmerkung der Redaktion]

Das Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 8. Oktober 2022 (BGBl. I S. 1726) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

  1. In der Inhaltsübersicht werden nach der Angabe zu § 249 [Sonderregelungen für Windenergieanlagen an Land – Anmerkung der Redaktion] die folgenden Angaben eingefügt:

§ 249b Verordnungsermächtigungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Abbaubereichen des Braunkohletagebaus“.

  1. In § 9a werden die Wörter „Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat“ durch die Wörter „Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen“ ersetzt.
  2. § 35 [Bauen im Außenbereich – Anmerkung der Redaktion] wird wie folgt geändert:
  3. Absatz 1 Nummer 8 wird wie folgt gefasst [„Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es“ – Anmerkung der Redaktion]:

„8. der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient

a) in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder

b) auf einer Fläche längs von

aa) Autobahnen oder

bb) Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn.“

Was bedeutet das?

Der vorgeschriebene Gesetzestext bedeutet, dass große PV-Freiflächenanlagen, sogenannte Solarparks, baurechtlich jetzt zum Teil privilegiert sind. Vorausgesetzt, sie werden auf Flächen längs von Autobahnen und mehrgleisigen Schienenwegen des übergeordneten Netzes gebaut – den sogenannten Seitenstreifen. Die Privilegierung ergibt sich aus der Aufnahme der Solaranlagen in die Liste der sogenannten privilegierten Vorhaben des § 35 Absatz 1 BauGB.

Was sind privilegierte Bauvorhaben?

Als privilegiert gelten die Bauvorhaben, die auch im Außenbereich, also auf den Flächen, für die kein qualifizierter Bebauungsplan seitens der Kommune besteht und die außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegen, zulässig sind.

Was ist der Zweck einer Privilegierung?

Privilegierte Bauvorhaben bilden demnach eine Ausnahme vom Grundsatz gemäß § 35 BauGB, demzufolge der Außenbereich vor einer baulichen oder sonstigen Inanspruchnahme, beispielsweise mit Freizeitnutzungen, und damit allgemein vor einer Zersiedelung geschützt werden soll.

Diese baurechtliche Privilegierung von Freiflächen für Solarparks ist eine bewusst gewählte Abkehr von dem bislang recht langatmigen Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans.

Begründet werde der neue Gesetzestext der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen zufolge damit, dass der Seitenstreifen an Autobahnen und Schienenwegen bereits von optischen und akustischen Belastungen vorgeprägt sei, so dass PV-Freiflächenanlagen dort ohne die Durchführung eines Planverfahrens ermöglicht werden sollen.

Anders ausgedrückt: Ein Bebauungsplan sei dafür nicht mehr zwingend erforderlich, schreibt das PV Magazine in seiner Onlineausgabe. Das sei dem Fachmagazin für Photovoltaik eine deutliche Änderung, denn bislang sei die PV-Freiflächenplanung fast nur über Bebauungspläne gelaufen. Allerdings ergäben sich aus dem neuen Genehmigungsverfahren für Freiflächen-PV Fragen – und zwar diese:

  • Wie funktioniert ein Baugenehmigungsverfahren für Solarparks jetzt?
  • Wie wirkt sich das neue Genehmigungsverfahren auf die Regionalplanung aus?
  • Was ist mit Solarpark-Projekten, für die bereits Bebauungspläne aufgestellt wurden beziehungsweise gerade aufgestellt werden?
  • Wann macht ein Bebauungsplan gegebenenfalls noch Sinn?

Wichtig zu wissen ist zudem, dass ein Zulassungsverfahren für die Solarparks immer noch nötig ist. Dabei prüfen die zuständigen Stellen, ob dem Vorhaben öffentliche Belange oder Ziele der Raumordnung entgegenstehen. Die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen weist darauf hin, dass das im § 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) jüngst eingeführte überragende öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien (wir berichteten) „ein ordentliches Gewicht in die Waagschale bringen“ dürfte.

Fernstraßen-Bundesamt lockert Verbot von Bauten in einem Abstand von 40 Metern zur Fahrbahn

Gemäß § 9 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) dürften sogenannte Hochbauten, zu denen laut der Wirtschaftskanzlei Görg die PV-Freiflächenanlagen zählen würden, nicht innerhalb einer Anbauverbotszone von 40 Metern (m) längs von Autobahnen nicht errichtet werden. Das heiße, dass sich die privilegierte Fläche längs von Autobahnen von 200 m auf 160 m verringern würde – wobei im Einzelfall eine Ausnahme von diesem Verbot erteilt werden könne. Die Kanzlei weist zudem daraufhin, dass für Anlagen in einer Entfernung von bis zu 100 m von der Autobahn die Zustimmung des Fernstraßen-Bundesamtes einzuholen sei.

Auf diese Problematik habe das Fernstraßen-Bundesamt inzwischen reagiert, indem es das bislang geltende Verbot von Bauten in einem Abstand von 40 m zur Fahrbahn gelockert habe: Es gelte der Klimaschutz- und Energieagentur zufolge nicht mehr generell, sondern könne im geprüften Einzelfall entfallen. Das heiße demnach, dass bei vielen Solarpark-Vorhaben der gesamte Seitenstreifen im Abstand von 200 m zur Fahrbahn für Solarparks genutzt werden könne.  

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Wie läuft die verfahrensbeschleunigte Erteilung der Genehmigung künftig?

Diese Frage beantwortet die Wirtschaftskanzlei Görg auf ihrer Internetseite ausführlich. Dort ist zu lesen, dass das bislang nötige Aufstellen eines Bebauungsplans zur öffentlich-rechtlichen Umsetzung aller PV-Freiflächenanlagen im Außenbereich wegen der benötigten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung mitunter sehr viel Zeit kostete. Dies auch, weil politische Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat der Gemeinde berücksichtigt werden mussten, auf deren Gebiet das Vorhaben umgesetzt werden sollte. Die Notwendigkeit eines Bebauungsplans ergab sich demnach aus dem Baurecht: Ob ein Solarpark im Außenbereich ohne Bebauungsplan zulässig war oder nicht, das richtete sich bislang nur nach § 35 Absatz 2 BauGB. In der Praxis wäre der Großteil der Solarparks ohne Aufstellung eines Bebauungsplans im Außenbereich deshalb unzulässig gewesen.

Dank der Baurechtsänderung seien PV-Freiflächenanlagen auf den Seitenstreifen von Autobahnen und Schienenwegen grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässig, vorausgesetzt, sie kollidierten nicht mit anderweitigen öffentlichen Belangen. Die Baugenehmigung könne laut der Wirtschaftskanzlei somit unmittelbar beantragt werden. Das spare wesentlich Zeit und Kosten bis zum Erreichen der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit des Solarparks.

Was ist mit Solarparks in schon eingeleiteter Planung?

Für Freiflächen-PV längs von Autobahnen und Schienenwegen, für die bereits ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet worden sei, empfiehlt die Wirtschaftskanzlei im Einzelfall das Einstellen des Verfahrens, um Zeit und Kosten zu sparen. Stattdessen sollte direkt einen Bauantrag gestellt werden.

Wichtig: Weil der Gemeinderat infolge der baurechtlichen Änderung der Umsetzung solcher Solarpark-Vorhaben nicht mehr zustimmen müsse, hätten die Projektträger jetzt sogar einen Anspruch darauf, dass ihnen eine Baugenehmigung erteilt werde, wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt seien.

Was sind Belange, die der Genehmigung des Solarparks in die Quere kommen könnten?

Das baurechtliche Privilegieren der Freiflächen-PV führe der Wirtschaftskanzlei Görg zufolge aber nicht zwangsläufig zur Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens. Vielmehr seien weitere öffentliche Belange im jeweiligen Einzelfall zu berücksichtigen, da sie der Zulässigkeit des Solarparks im Einzelfall entgegenstehen könnten.

Demnach sei es die Regel, dass die Seitenstreifen an Autobahnen und Schienenwegen in bestehenden Flächennutzungsplänen (FNP) der Gemeinden als landwirtschaftliche Flächen ausgewiesen seien. Die Kanzlei schreibt, dass Darstellungen in FNP nach der Rechtsprechung aber nur dann privilegierten Vorhaben entgegengehalten würden, wenn sie qualifizierte Standortzuweisungen träfen. Dies sei bei landwirtschaftlichen Flächen in aller Regel nicht der Fall. Aus diesem Grund könnten Darstellungen in FNP den Freiflächen-PV-Anlagen an Autobahnen und bestimmten Schienen nicht entgegengehalten werden.

Auch das Natur- und Artenschutzrecht sei trotz der baurechtlichen Privilegierung von Freiflächen für PV weiterhin einzuhalten. Da großflächige Solarparks unter Umständen als sogenannte raumbedeutsame Vorhaben gelten würden, sei laut der Wirtschaftskanzlei Görg zu ermitteln, ob Ziele der Raumordnung gegen das Vorhaben sprechen würden.

Die Kanzlei merkt an, dass solche Belange begründen könnten, mit einem Bebauungsplanverfahren für höhere Rechtssicherheit zu sorgen. Empfohlen wird deshalb, sich vor dem Einreichen des Bauantrags und vor dem Aufgeben des Bebauungsplanverfahrens mit der Bauaufsichtsbehörde abzustimmen. Von einer vorschnellen Entscheidung rät die Wirtschaftskanzlei ab.


Kritik vom Branchenverband bne an der neuen baurechtlichen Privilegierung der Seitenstreifen von Autobahnen und Schienenwegen für Freiflächen-PV

Für den Bundesverband Neue Energiewirtschaft bne ist die weitere Privilegierung von PV-Freiflächenanlagen auf den Seitenstreifen von Autobahnen und Schienenwegen im Baugesetzbuch der falsche Weg. In der zugehörigen Pressemeldung begründet der bne seine Ansicht damit, dass Gemeinden damit nicht mehr selbst über die Planung von Freiflächen-PV entscheiden könnten. Dieser Quasi Verlust der Planungshoheit wiederum schade der Akzeptanz solcher EE-Anlagen vor Ort.

Der bne schlägt deshalb vor, das Bebauungsplanverfahren zu vereinfachen und eine Verfahrensfreiheit für Freiflächen-PV nach bayerischem Vorbild voranzutreiben. Robert Busch, der bne-Geschäftsführer, sagte gegenüber der Presse, dass es Kommunen, die den PV-Ausbau beschleunigen wollten, so leicht wie möglich gemacht werden sollte.  

In einem aktuellen Podcast vom PV Magazine erklärte Bernhard Strohmayer, der Leiter Erneuerbare Energien bne, dass die Regionalplanung nicht so stark sei, wie die Kommunalplanung. Aus diesem Grund setze sich der bne seit Längerem für die rechtssichere Beteilung der Kommunen an Solarparks ein. Eine kommunale Planungshoheit sei richtig. Ein Verlust der Planungshoheit führe schlimmstenfalls dazu, dass die Gemeinden die Planung einstellen würden. Was den eigentlich mit der baurechtlichen Privilegierung bezweckten beschleunigten PV-Zubau bremsen würde. Strohmayer weist in diesem Zusammenhang auch daraufhin, dass der für die Energiewende nötige PV-Zubau größere Solarparks brauche, als es die Seitenstreifen an Autobahnen und Schienenwegen hergäben.

Strohmayer nennt an dieser Stelle im Podcast auch eine spannende Zahl: Für die Energiewende sei es ihm zufolge sinnvoll, wenn Kommunen etwa ein Prozent ihrer Fläche als Solarpark auslegen würden. Progressive Kommunen würden daran längst arbeiten – auch mit Solarparks außerhalb der EEG-Förderkulisse.

Kritik von der Stiftung Umweltenergierecht an der neuen Außenbereichsprivilegierung für PV-Freiflächenanlagen

Die Stiftung Umweltenergierecht untersuchte nach eigenen Angaben, ob die neue Außenbereichsprivilegierung für PV-Freiflächenanlagen entlang Autobahnen und bestimmter Schienenwege „ein generelles Modell für den mittel- und langfristig erforderlichen PV-Zubau sein kann“.

Zentral für die inhaltliche Ausrichtung der neuen Gesetze durch den Gesetzgeber sei der Stiftung zufolge zunächst die Stellschraube, ob alle oder nur bestimmte Anlagentypen zum Beispiel Biodiversitäts-Solarparks oder Agri-PV-Anlagen, privilegiert würden. Auch bestünde Klärungsbedarf zu den Fragen,

  • ob die Privilegierung für alle oder nur bestimmte Flächen gelte
  • und ob die Außenbereichsprivilegierung auf das Gemeindegebiet und die Anlage begrenzt werde.

Je nachdem, wie solche Möglichkeiten kombiniert würden, ließen sich verschiedene Steuerungsziele, darunter die Flächenbereitstellung und die umweltverträgliche Steuerung, unterschiedlich gewichten.

Die Stiftung kam weiterhin zu dem Schluss: Wenn die kommunale Planungshoheit nicht nur jenseits der Privilegierung zur Geltung kommen solle, ließe sie sich darüber hinaus als subsidiär gegenüber gemeindlicher Bebauungsplanung ausgestalten. Den Zubau auf Basis der gesetzlichen Privilegierung erlaube die kommunale Planungshoheit so nur dort, wo Gemeinden planerisch untätig blieben. Wo die Gemeinden dagegen Initiative zeigen würden, behielten sie die Planungszügel in der Hand.

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Außenbereichsprivilegierung ist nur ein Baustein

Laut dem „Diskussionspapier: Weiterentwicklung der Außenbereichsprivilegierung von PV-Freiflächenanlagen. Konzeptionelle Möglichkeiten zur Stärkung der Flächenbereitstellung und weiterer Steuerungsziele bei Erhalt kommunaler Gestaltungsmöglichkeiten“ der Stiftung Umweltenergierecht sei die Außenbereichsprivilegierung für PV-Freiflächenanlagen in einem künftigen System der planerischen Steuerung nur ein Baustein, dessen Wirkung allerdings von der Raumordnung abhänge. Diese beschränke die Möglichkeiten von Gemeinden, Flächen auszuweisen, demnach schon heute in einzelnen Bundesländern stark.

Die Stiftung weist darauf hin, dass die aktuelle Novelle des Raumordnungsgesetzes dies noch verstärken könnte, indem sie das Instrument einer Ausschlussplanung, das bislang vor allem von der Windenergie bekannt wäre, auch für die PV-Freifläche ins Schaufenster stelle. Eine solche Steuerung könnte die gerade vom Bund geschaffene Privilegierung für PV-Freiflächenanlagen genauso unterlaufen wie deren Weiterentwicklung.

Die weitere Entwicklung bleibt also abzuwarten. Wir halten Sie diesbezüglich hier auf dem Blog auf dem Laufenden, versprochen!

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