Die deutsche Energiewende nimmt zwar an Fahrt auf, ist insgesamt aber zu langsam. Mit Blick auf die Stromwende muss der Ausbau der Erzeugungsanlagen für grünen Strom massiv beschleunigt werden. Laut der Marktoffensive Erneuerbare Energien (EE) sollten dafür die politischen Weichen nicht nur für den mit Förderungen getriebenen, sondern auch für einen marktgetriebenen Zubau erneuerbarer Energien gestellt werden, zum Beispiel, indem man die Direktvermarktung via bilateralen Stromabnahmeverträgen (PPA oder bei erneuerbarem Strom: Green PPA) stärke. Viele europäische und außereuropäische PPA-Märkte würden sich der Marktoffensive zufolge bereits dynamisch entwickeln. Auch für die deutsche Energiewende könnten Green PPA demnach ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell sein: Analysten sprechen sogar schon über ein anbrechendes „goldenes Zeitalter der PPA“. Alles, was Sie zu den aktuellen Entwicklungen am PPA-Markt wissen sollten, lesen Sie hier.
Warum PPA den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen können
Bevor wir gleich begründen, warum die Direktvermarktung von erneuerbarem Strom via PPA das Zeug dazu hat, die deutsche Energiewende zu pushen, erklären wir Ihnen hier kurz die wichtigsten Begriffe und Fakten zum Thema.
Was heißt: PPA?
PPA steht für den englischen Ausdruck „Power Purchase Agreement“ und bezeichnet einen bilateralen Stromabnahmevertrag zwischen einem Stromerzeuger und einem Stromabnehmer. Das kann ein Großverbraucher, zum Beispiel eine öffentliche Einrichtung (sogenanntes Corporate PPA), ebenso sein wie ein Energieversorger oder Stromhändler (sogenanntes Merchant PPA oder Utility PPA). Der Ausdruck „Green PPA“ betont das Grün, also die Erneuerbarkeit des Stroms.
Das PPA-Modell zur Direktvermarktung von Strom hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Instrument der Energiewende und der Förderung erneuerbarer Energien entwickelt. Denn insbesondere Anlagenbetreiber, deren Anlagen in der Anschaffung teuer (hohe Investitionskosten) und im Betrieb (niedrige Betriebskosten) vergleichsweise günstig sind, wie es bei PV- und Windenergieanlagen laut dieser Quelle der Fall sei, seien „PPA ein probates Mittel, das Strompreisrisiko zu reduzieren“.
Welche Formen von PPA gibt es?
Man unterscheidet laut der Marktoffensive Erneuerbare Energien prinzipiell zwischen Corporate PPA und Utility PPA beziehungsweise Merchant PPA.
- Bei Corporate PPA kommt es zu einem bilateralen Stromliefervertrag zwischen dem EE-Erzeuger und einem Großkunden.
- Ein Merchant PPA oder Utility PPA ist ein Vertrag zwischen dem EE-Erzeuger und Energieversorgern oder Direktvermarktern. Das heißt: Der Merchant-/Utility-Abnehmer ist kein Stromverbraucher, sondern Stromverkäufer.
Eine weitere Unterscheidung von PPA sei demnach die in physische und virtuelle PPA:
- Bei physischen PPA erzeuge und verbrauche man den Strom
- entweder direkt (on site) an ein und demselben Standort (Beispiel: Windkraftanlage neben einer stromverbrauchenden Produktionsanlage)
- oder an unterschiedlichen Standorten. Der Strom werde dabei über das öffentliche Stromnetz geliefert (off site).
- Zu den physischen PPA zähle auch ein sogenannter Sleeved PPA: Damit sei ein Off-site PPA gemeint, bei dem ein Energiedienstleister unterschiedliche Dienste erfülle und als Intermediär zwischen Stromerzeuger und Stromverbraucher agiere. Das könnten laut dem Portal next-kraftwerke Dienstleistungen sein wie die Bilanzkreisführung, der Zusammenschluss verschiedener Stromproduzenten zu einem Anlagenportfolio, das Liefern von Reststrommengen oder das Verkaufen von Überschussmengen, das Erstellen von Einspeiseprognosen, das Vermarkten von Grünstromzertifikaten oder auch das Übernehmen von verschiedenen Risiken, die sich etwa aus Ausgleichsenergiekosten oder Ausfallrisiken eines Vertragspartners (Insolvenz) ergeben.
- Bei virtuellen PPA (auch synthetische PPA) dagegen werde kein physischer Strom geliefert. Denn es handele sich dabei um eine finanzielle Vereinbarung über eine bilanzielle Abnahme einer im PPA festgeschriebenen physischen Strommenge, die dazu dienen soll, schwankende Börsenpreise auszugleichen. Damit würden sich der Marktoffensive zufolge EE-Kapazitäten über den Markt refinanzieren lassen.
Eigenerzeugung vs. PPA: Was ist der Unterschied?
Bei der Eigenerzeugung betreibe der Stromverbraucher, anders als bei einem PPA, die Stromerzeugungsanlage selbst. Die Anlage könne in diesem Fall auf dem Betriebsgelände stehen (Eigenversorgung nach EEG) oder auch anderswo. Aber: Betreibe eine dritte Partei die Anlage auf dem Betriebsgelände, handele es sich um ein On-Site-PPA – denn das allgemeine Versorgungsnetz werde nicht gebraucht, erklärt die Marktoffensive Erneuerbare Energien.
Welche Vorteile bringt PPA den Stromproduzenten und -abnehmern?
Es gibt mehrere Vorteile von PPA für Stromproduzenten und Abnehmer: Die Stromproduzenten erhalten langfristige Einnahmesicherheit – und zwar unabhängig von Förderszenarien und Zuschlägen seitens der Bundesnetzagentur – und können ihre Stromproduktion und Investitionen in neue Erzeugungskapazitäten somit besser planen (Planungssicherheit), während die Abnehmer des Stroms von preisstabilen Strompreisen und einer grüneren Energieversorgung profitieren. Letzteres färbt auf das Image ab. Grundsätzlich, so betont das Portal next-kraftwerk, sei die preisliche Ausgestaltung bei PPA flexibler: Diese ließen sich demnach entweder zu festen Preisen abschließen oder ließen Spielraum für ein stärkeres Partizipieren an Marktrisiken und -chancen. Zu erwähnen ist auch, dass bei PPA die nötige Transparenz da ist, um Herkunftsnachweise zu erbringen, die wiederum als „grünes Marketing-Instrument“ zum Einsatz kommen können.
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Warum braucht Deutschland PPA?
Der Ausbau erneuerbarer Energien ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Das Erzeugen von Strom aus erneuerbaren Quellen ist inzwischen zwar längst etabliert, aber die Energiewende erfordert mehr und schneller mehr grünen Strom. Die Marktoffensive Erneuerbare Energien schreibt in ihrem Positionspapier „Green PPAs für einen klimaneutralen Wirtschaftsstandort Deutschland“, dass die Technologiekosten bei Erneuerbaren deutlich gesunken seien und das zugehörige Marktumfeld gut dastünde. Dazu trügen demnach die CO2-Bepreisung, hohe Strompreise und die steigende Nachfrage nach grünem Strom bei.
Die Marktoffensive weist jedoch darauf hin, dass reine Förderinstrumente wie das EEG allein nicht mehr ausreichten und nicht mehr zeitgemäß seien. Für einen schnellen und ambitionierten Zubau erneuerbarer Energien brauche es neben ausreichenden Flächen und schnelleren Genehmigungen auch neue Finanzierungskonzepte. Das begründe, warum Modelle jenseits der klassischen EEG-Förderung immer wichtiger würden. Das EEG sollte dem Positionspapier zufolge perspektivisch wieder seine ursprüngliche Funktion erhalten, die da laute: Förderung technischer Innovationen und Geschäftsmodelle mit dem Ziel der Markteinführung.
Hinzu komme der Auftrag aus dem EEG 2021, bis 2027 Vorschläge zu entwickeln, wie sich der weitere Zubau erneuerbarer Energien künftig marktbasiert, also ohne staatliche Förderung, realisieren lasse. Druck mache hier laut der Offensive auch die EU: Das europäische Beihilferecht verlange demnach, gesetzliche Förderung wo möglich auslaufen zu lassen.
Das Verhältnis zwischen dem klassischen Förderinstrument EEG, seiner Weiterentwicklung und den Marktinstrumenten müsse deshalb neu definiert werden, fordert die Marktoffensive. Dabei gelte es,
- die Nachfrage der Unternehmen nach langfristig kostengünstigem grünem Strom
- und die Nachfrage der EE-Anlagenbetreiber nach langfristiger, stabiler Abnahme und gesicherter Finanzierung zu vereinbaren.
Green PPA seien demnach das notwendige Bindeglied, um den marktgetriebenen Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben und zugleich die Finanzierung von Projekten zu sichern. Green PPA böten laut der Marktoffensive Erneuerbare Energien einen Mehrwert für die nachhaltige Wertschöpfung in Deutschland.
Warum, wieso, weshalb – das steht ausführlich im Positionspapier. Demnach setze die notwendige Transformation der (Energie-)Wirtschaft voraus, dass die Unternehmen zeitnah viel Geld investierten. Für Industrie und Gewerbe stelle sich angesichts dessen die Frage, wie Produktionsprozesse künftig gestaltet werden könnten, wenn sie auf erneuerbaren Energien basieren. Um entsprechende Investitionen zu tätigen, brauche die Wirtschaft einen stabilen Rahmen.
Green PPA könnten der Marktoffensive Erneuerbare Energien zufolge sowohl bei der strombasierten Produktion als auch bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff in Deutschland eine wichtige Rolle übernehmen. Mit PPA habe die Politik demnach die Chance auf zusätzliche Investitionen in die Energiewende. Gleichzeitig bekäme die Wirtschaft Zugang zu CO2-freier, kostengünstiger Energie.
Zum Erschließen des PPA-Potenzials brauche es demnach jedoch bessere Rahmenbedingungen für Green PPAs in Deutschland. Die Nachfrage nach grünem Strom aus der Wirtschaft wachse rasch. Der Bezug von grünem Strom sei eine wichtige Säule betrieblicher Strategien, denn so könnten Unternehmen ihre Treibhausgase reduzieren. Ein deutlich stärker nachfragegetriebener Zubau erneuerbarer Energien sei damit möglich und von der Wirtschaft gewollt, ist im Positionspapier der Marktoffensive Erneuerbare Energien weiter zu lesen. Ein Zubau sei auch deshalb sinnvoll, weil die Erzeugungskosten erneuerbarer Energien massiv gesunken seien. Hinzu komme, dass wegen hoher CO2-Zertifikatekosten durchschnittlich von höheren Strompreisen als in den vergangenen Jahren ausgegangen werden müsse. Erneuerbare Energien könnten sich in so einem Marktumfeld ohne monetäre Förderung refinanzieren und die Preise stabilisieren.
PPA trügen demnach dazu bei
- Privatinvestitionen für die Energiewende zu mobilisieren und extra Projekte für EE zu finanzieren.
- EE noch stärker in den Markt zu integrieren.
- nationale und europäische Ziele für den EE-Ausbau zu erreichen.
- Kosten teilweise auszugleichen, die den EU-Mitgliedstaaten für EE-Förderprogramme entstünden und die traditionell von den Verbrauchern getragen würden.
Aktuelle Marktentwicklung von PPA in Deutschland, Europa und darüber hinaus
Der PPA-Markt in Europa und darüber hinaus ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Laut dem Internetportal pwc hätten sich in Skandinavien und den USA PPA und insbesondere Corporate PPA, also langfristige Stromlieferverträge für (Groß-)Unternehmen, längst etabliert. Dass im Jahr 2018 Technologiekonzerne wie Facebook und Microsoft auch in Europa erste PPA-Verträge abgeschlossen hätten, habe in der Energiebranche für große Aufmerksamkeit gesorgt.
Auch in Deutschland entfalte das Thema PPA neue Dynamik, schreibt pwc weiter. Ein Grund dafür sei der Wegfall der staatlichen Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz seit 2021 für die ersten signifikanten Anlagenparks.
Um ihre Anlagen profitabel weiterbetreiben zu können, bräuchten die Betreiber demnach direkten Zugang zu Stromkunden. Während Energieabnehmer Lösungen wünschen würden, die ihre oftmals hochgesteckten Nachhaltigkeitsziele erfüllten, bräuchten Versorger demnach für diese Nachfrage ein Angebot in ihrem Energie-Portfolio. Mit PPA könnten nach dem Auslaufen der EEG-Förderung alle diese unterschiedlichen Anforderungen erfüllt werden, ist bei pwc weiter zu lesen.
Das globale Marktvolumen für Corporate PPA beziffert das Portal ContextCrew für das Jahr 2021 auf 31,1 Gigawatt (GW) Strom – der von Unternehmen via PPA eingekauft worden sei. Dabei beruft sich das Portal auf Berechnungen des Marktforschungsunternehmens BloombergNEF (BNEF). Das entspreche demnach einem Plus von fast einem Viertel (24 Prozent) gegenüber dem Vorjahr 2020 (25,1 GW). Zwei Drittel (65 Prozent) der Käufe seien in den USA gelaufen.
In Europa seien der ContextCrew zufolge 2021 19 GW an PPA-Projekten verwirklicht worden. Spanien dominiere hier den Markt der PV-PPA, während Großbritannien bei der Offshore-Windenergie die Nase vorn habe.
Für das Jahr 2022 meldet das pv magazine, das sich dabei auf Analysen von Pexapark beruft, 8,4 GW PPA-Volumen in Europa. Zum Vergleich: 2021 seien es 10,7 GW gewesen. Dem Erneuerbare-Beratungsunternehmen aus Zürich zufolge seien die Projektabschlüsse in der Zahl jedoch von 154 auf 161 gewachsen – die Größe der Projekte sei also „geschrumpft“. Im Zuge einer enormen Preisvolatilität (mehr als 230 Prozent) seien die PPA-Preise im Jahr 2022 um 23 Prozent gestiegen.
Für das laufende Jahr 2023 sehe Pexapark drei große PPA-Trends:
- mehr kurzfristige PPA: Beim Beziehen von Erneuerbarem Strom gewinne ein Mix aus Kurzzeit- und Langzeit-PPA an Gewicht.
- mehr PPA-Trios: Anlagenbetreiber, Versorgungsunternehmen und verbrauchende Unternehmen würden stärker zusammenarbeiten.
- mehr Flexibilität: PPA, die neben der Energielieferung auch Speicherelemente berücksichtigen, seien im Kommen.
Im März 2023 habe Pexapark dem pv magazine zufolge in Europa die Unterzeichnung 23 neuer Stromabnahmeverträge (PPA) mit einer Gesamtleistung von rund 2,5 GW gezählt – und damit den höchsten Wert verbucht, der von den Schweizer Beratern jemals in einem einzigen Monat verbucht worden sei. Er bedeute einen Anstieg von 14 Prozent gegenüber dem Vormonat Februar 2023. Und gleichwohl im März 7 Verträge weniger abgeschlossen worden seien als im Februar, sei die Zahl der Verträge immer noch höher als in jedem anderen Monat des Vorjahres 2022. Im ersten Quartal 2023 kündigten Projektentwickler somit nahezu 70 PPA für insgesamt 6 GW Anlagenleistung an.
Wichtig: EU-Kommission legte Vorschlag zur Reform des EU-Strommarktes vor
Mitte März 2023 legte die Europäische Kommission offiziell ihren Vorschlag zur Reform des EU-Strommarktes vor. Laut Pexapark besäße dieser das Potenzial, ein goldenes Zeitalter der PPA einzuläuten. Wobei, so berichtet es das pv magazine, die endgültige Gesetzgebung nicht vor 2025 zu erwarten sei.
Anstatt der aktuell jährlichen 100 bis 150 Transaktionen mit 10 bis 20 GW an neuer Anlagenleistung rechnet Pexapark angesichts der in der Reform enthaltenen Maßnahmen mit einer Nachfrage von mehr als 1.000 TWh bei den Unternehmen. Diese Unternehmensnachfrage werde parallel zum BIP und den allgemeinen Elektrifizierungsbemühungen steigen, was demnach zu Hunderten extra PPA zur Unterstützung neuer erneuerbarer Kapazitäten führen werde.
Pexapark habe dem pv magazine zufolge betont, dass die Umwandlung Europas in einen „viel größeren und dynamischeren PPA-Markt“ von Maßnahmen untermauert werde, die neue und erhöhte Investitionen in Erneuerbaren-Anlagen ermöglichten. Zudem würden die vorgeschlagenen Kreditförderungsmechanismen die Nachfrage nach PPAs erhöhen. Die Kredite hätten die Berater von Pexapark als ein Haupthindernis für den Abschluss von mehr PPA erklärt, schreibt das pv magazine. Die EU-Kommission schlage demnach vor, dass Projekte, die schon einen Teil ihrer Erzeugung in einer PPA gebunden hätten, einen weiteren an Käufer vergeben könnten, die Schwierigkeiten beim Zugang zum PPA-Markt hätten, zum Beispiel kleine und mittlere Unternehmen.
Hintergrund: Über die Marktoffensive Erneuerbare Energien
Die Marktoffensive Erneuerbare Energien wurde nach eigenen Angaben von der Deutschen Energie-Agentur (dena), dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und dem Klimaschutz-Unternehmen e. V. ins Leben gerufen und werde von diesen Institutionen fachlich und operativ unterstützt. Die unternehmensgetriebene Initiative möchte das Potenzial von Stromlieferverträgen für grünen Strom (Green Power Purchase Agreements, Green PPAs) in Deutschland erschließen. Zur Marktoffensive Erneuerbare Energien gehören demnach große und kleinere Abnehmer, Erzeuger und Vermarkter sowie Finanzierer und Dienstleister, die die Vision eine: Mit zusätzlichen Investitionen über Green PPAs den Zubau erneuerbarer Energien in Deutschland beschleunigen und gleichzeitig Unternehmen einen zentralen Hebel zur Absicherung gegenüber steigenden Strompreisen und zur betrieblichen Dekarbonisierung bieten. Die Bereitschaft von Abnehmern, in PPAs und die Energiewende zu investieren, sei laut der Marktoffensive groß.